Geht Deutschland das Gas aus?

In den letzten Monaten sind die deutschen Gasspeicher zum Gesprächsthema geworden. „So leer, wie noch nie!“, „Drohende Gasengpässe“ oder „Gazprom lässt Europa zittern!“ sind Schlagzeilen, die im Spätsommer dominieren.

Nach dem vergleichsweise kalten Winter 20/21 sind die Gasspeicher im September nur noch zu einem Drittel voll. Im Vergleich dazu war der Speicher im Vorjahr bereits zu 94 Prozent gefüllt.

Besonders im Winter gleichen die in ganz Deutschland verteilten unterirdischen Speicher hohe Gasverbräuche aus. Rund 23 Milliarden Kubikmeter Gas können in den Speichern gelagert werden. Das entspricht in etwa einem Viertel des jährlichen Energieverbrauchs in Deutschland.

Bei der Frage, warum die Speicher leer sind, gehen die Meinungen auseinander.

Der derzeit hohe Erdgaspreis könnte eine große Rolle spielen. Die Unternehmen scheuen sich davor, ihre Speicher zu füllen, während die Gaspreise derart hoch sind. Laut einem Sprecher des Energiekonzerns Uniper, der über die größte Speicherkapazität in Deutschland verfügt, hätten „die Annahmen des Marktes zur weiteren Entwicklung der Preise dazu geführt, dass in der bisherigen Einspeisesaison weniger Gas eingelagert wurde“.Auch Gazprom ist in diesem Kontext jedem ein Begriff. Dem russischen Erdgasförderungsunternehmen gehört ein Viertel der deutschen Gasspeicher. Über die Tochterfirma Astora betreibt Gazprom unter anderem den Speicher in Rehden, der mit einem Volumen von 4 Milliarden Kubikmetern einer der Größten in Europa ist. Allerdings ist dieser Speicher von Gazprom bis Mitte September zu weniger als 5 Prozent gefüllt worden. Der russischen Regierung wird vorgeworfen, diesen Notstand als Druckmittel zur Genehmigung der Pipeline Nord Stream 2 zu nutzen. Der Kremlsprecher Dmitri Peskow weist derartige Beschuldigungen vehement zurück.

Doch was sind die Konsequenzen der leeren Gasspeicher? Droht Deutschland ein Gasmangel im Winter? Einige Politiker, wie Oliver Krischer, Fraktionsvize der Grünen im Deutschen Bundestag, halten dies für möglich. Auch der Speicher-Branchenverband warnt vor Gas-Versorgungsunterbrechungen bei zu hoher Nachfrage.

Anfang November gibt der Geschäftsführer der INES (Initiative Energien Speichern) bekannt, dass die Erdgasspeicher in Deutschland langsam wieder befüllt werden. Das betrifft auch die Speicher, die von Gazprom betrieben werden. Wie in der letzten Oktoberwoche von Staatschef Wladimir Putin angekündigt, erreicht das russische Erdgas Anfang November die europäischen Speicher.

Mit einer Versorgungsunterbrechung ist demnach vorerst nicht zu rechnen.

Inwieweit die beschriebene Situation den aktuellen Gaspreis beeinflusst, bleibt allerdings abzuwarten.